Michael Böhnke:„Menschenrechte müssten auch das kirchliche Recht begründen“ Westdeutsche Zeitung

Dr. Michael Böhnke, Professor an der Bergischen Universität, spricht über Meinungsfreiheit in der katholischen Kirche und Sorgen angehender Lehrkräfte.

„Der universale Anspruch der Menschenrechte, überall und uneingeschränkt gelten zu wollen“, sagt er, „stellte dabei eine Herausforderung an die Ekklesiologie, an die Lehre der Kirche, die auch das Katholische Kirchenrecht betrifft, dar. Zwar setzt sich die Kirche und setzen sich innerkirchliche Gruppierungen wie etwa Misereor oder Adveniat oft mit Nachdruck für die Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte zum Beispiel in Flüchtlingsfragen ein“, fährt er fort, „aber das Kirchenrecht selbst trägt bis heute nur sehr eingeschränkt zur Anerkennung und Durchsetzung der Menschenrechte bei. Und hier sehe ich einen großen Nachholbedarf. Die Menschenrechte müssten genauso wie das staatliche Recht, das kirchliche Recht begründen“, denn sie fungieren gleichermaßen als Grundlage für staatliches Recht und Kirchenrecht.

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Heiliger Geist, wo ist der Kinderschutz?

Im Gesetzbuch der katholischen Kirche[1], dem Codex kirchlichen Rechts (CIC) von 1983 gibt es keine Gesetze, die die Rechte der Kinder explizit schützen. Wenn die Kirche vom Heiligen Geist geführt wird, hat die Kirche Gesetze zum Schutz der Kinder zu beschließen, wenn sie glaubwürdig die Praxis Jesu leben will.

Die Prälaten, Bischöfe, Kardinäle und Päpste in Rom haben lange die Probleme (seit den 50er Jahren) nicht lösen wollen. Die Verbrecher wie Lawrence Murphy, Stephen Kiesle, Marcial Maciel konnten unzählige Kinder und Jugendliche missbrauchen. Erst der Druck der Öffentlichkeit bewirkte 2001 eine kleine Änderung. Papst Johannes Paul II unterzeichnete das Schreiben Sacramentorum Sanctitatis Tutela, das nicht zum Schutz der Kinder, sondern zum Schutz der Sakramente (!) verfasst wurde. Verbessert wurde dieses Papier von Benedikt XVI dann im Jahr 2010. Die Umsetzung war oft sehr lax und den Bischöfen vor Ort überlassen.

Im Codex Kirchlichen Rechts kommt ein indirekter Schutz der Kinder im Strafrechtskanon 1395, Paragraf 2 vor, wo Sexualdelikte von Klerikern an Minderjährigen unter Strafe gestellt werden.

Es gibt in diesem Umfeld drei Paragraphen, die nur Kleriker betreffen:

  1. Im Canon. 1395 — § 1 werden Kleriker bestraft, die „in einer … äußeren Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs“ verharren. (Eheähnliche Beziehungen werden mit Canon1394 bestraft.[2]
  2. Im Canon 1395 — § 2 werden Kleriker bestraft, die „gegen das sechste Gebot des Dekalogs“ sich verfehlt haben, indem sie „die Straftat mit Gewalt, durch Drohungen, öffentlich oder an einem Minderjährigen unter sechzehn (später: achtzehn) Jahren begangen“ haben.[3]
  3. Im Canon 1387 werden Priester bestraft, die bei der Spendung des Bußsakramentes oder bei Gelegenheit oder unter dem Vorwand der Beichte einen Pönitenten zu einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs zu verführen versucht haben.[4]

Verjährungsfrist stieg von 10 auf 20 Jahre

Unter dem Druck der Öffentlichkeit mussten Papst Johannes Paul II und Benedikt XVI handeln.  
Wichtigste Neuerung des Erlasses Ad exsequendam ecclesiasticam legem[5] von 2010 war die Anweisung, bei glaubhaften Vorwürfen die weitere Klärung von Fällen sexuellen Missbrauchs an die Glaubenskongregation nach Rom zu überweisen. Damit sollte eine mögliche Vertuschung vor Ort verhindert werden.

  • Zudem wurde die frühere Altersgrenze für Minderjährigkeit von 16 auf 18 Jahre angehoben;
  • die Verjährungsfrist stieg von 10 auf 20 Jahre, gerechnet ab dem 18. Geburtstag des Opfers.
  • In schweren Fällen kann die Verjährung aufgehoben werden. [6]
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Lieber Papst! Im Namen des Heiligen Geistes: Schluss mit dem Pflichtzölibat

Lieber Papst Franziskus!

Ich fordere Sie im Namen des Heiligen Geistes auf, den Pflichtzölibat aufzuheben und den Canon 277 – § 1 des Kirchenrechts zu streichen.

Er hat viele Menschen ins Unglück gestürzt, unermessliches Leid erzeugt, die Rechte der Gläubigen Sakramente zu feiern beschnitten und den Heiligen Geist zensuriert und unterdrückt.

Dieser Canon muss fallen:

Can. 277 — § 1. Die Kleriker sind gehalten, vollkommene und immerwährende Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen zu wahren; deshalb sind sie zum Zölibat verpflichtet, der eine besondere Gabe Gottes ist, durch welche die geistlichen Amtsträger leichter mit ungeteiltem Herzen Christus anhangen und sich freier dem Dienst an Gott und den Menschen widmen können.
Dazu muss der Can. 247 — § 1. umgeschrieben werden. (Auf die Einhaltung des zölibatären Standes sind sie durch eine entsprechende Erziehung vorzubereiten; sie haben zu lernen, ihn als eine besondere Gabe Gottes in Ehren zu halten.)

Mit brüderlichen Grüßen
Hannes Daxbacher

Codex Iuris Canonici 1983
Bischof: Zölibat auf freiwilliger Basis
Theologe Tück: Papst wird kaum umhin können, den Zölibat zu lockern
Overbeck zur Zölibatspflicht: „Die alte Zeit ist wirklich vorbei“
Amazonien auch bei uns!

Ohne Geist und neuem Gesetz geht die Kirche den Bach hinunter

Ich unterstütze seit Jahren die Kirchenreformbewegungen und kenne den Widerstand gegen schon kleine Reformen. Es wird immer auf die Weltkirche verwiesen. Aber im Grunde ist es das Kirchenrecht, an denen sich die Beherrscher der Kirche krampfhaft halten. Nur will das niemand wahrhaben, denn das ist eine trockene Materie.

Schon Papst Paul VI hat sich die Zähne daran ausgebissen und konnte sich gegen die Kirchenrechtler nicht durchsetzen. In seiner Ansprache 1973 an die Teilnehmer des II. Kongresses für Kanonisches Recht legte er flehentlich den Rechtsgelehrten nahe, dem Geist des Konzils und damit dem Heiligen Geist im Kirchenrecht Ausdruck zu verleihen.

Vier Jahre später starb er und sein zweiter Nachfolger Johannes Paul II schrieb zwar eine wunderbare Enzyklika über den Heiligen Geist im Jahre 1986, aber es war um drei Jahre zu spät. Schon im Jahre 1983 wurde von den Kirchenrechtlern der Codex Iuris Canonici herausgebracht. Der Gesetzgeber war nicht der Heilige Geist oder das Volk Gottes, sondern allein der Papst und der unterschrieb.

Seitdem haben wir den Salat.

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Vergisst die Kirche den Geist?

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Es ist eine Katastrophe. Da wird öffentlich über Kirchenreform diskutiert, aber die zentralen Kriterien, was Kirche ist, nicht beachtet. Das Zweite Vatikanische Konzil ist vergessen. Es hat aber formuliert, wie die Kirche über sich selbst denkt. In der Diskussion über die Reform der Kirche wird das vergessen, ist aber als Richtungsangabe voll entscheidend. Zentral dabei ist die Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium. Das 8. Kapitel ist ein Schlüsseltext, da in ihm die Aussagen der vorherigen Kapitel zusammengefasst werden.

Hier der Text bis zur „Leitung der Kirche“:
Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfaßt und trägt sie als solches unablässig; so gießt er durch sie Wahrheit und Gnade auf alle aus. Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst. Deshalb ist sie in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes ähnlich. Wie nämlich die angenommene Natur dem göttlichen Wort als lebendiges, ihm unlöslich geeintes Heilsorgan dient, so dient auf eine ganz ähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes (vgl. Eph 4,16).

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Die Kirche muss den Heiligen Geist rufen

Die Christenheit lernt dazu. Nachdem im 20. Jahrhundert viele geistliche und charismatische Aufbrüche einerseits gescheitert sind, andererseits in individuellen Gruppen und in Pfingstkirchen das Feuer erhalten blieb, sahen einige Theologen wie Michael Böhnke die Geistvergessenheit der Großkirchen in einem Zusammenhang mit der Gottvergessenheit in der Gesellschaft. Die Kirche vergisst den Geist, stützt sich auf die Gesetze, verliert die Gläubigen, bekennt sich angesichts der Missbrauchsfälle nicht zu den Sünden und verdunkelt den Zugang zu Gott. Michael Böhnke setzt im Zentrum der Kirche an, in der Seele der Kirche, dem Heiligen Geist. Er merkt, dass die Kirche mit diesem Geist Gottes keinen Dialog führt. Eine geistige Katastrophe für das Christentum.

In seiner Untersuchung „Kirche in der Glaubenskrise“[1] weist er auf den evangelischen Kirchenrechtler Richard Sohm hin, der als erster das Auseinanderklaffen von Charisma und Recht, von Geist und Recht 1892 zum Thema machte: „Das Wesen der Kirche ist geistlich, das Wesen des Rechts ist weltlich. Das Wesen des Kirchenrechts steht mit dem Wesen der Kirche im Widerspruch.“ Er löste damit eine Diskussion mit Adolph von Harnack, dem evangelischen Reformtheologen, aus.
Richard Sohm: Die Kirche sei in der Urgemeinde eine rein charismatische Organisation gewesen. Charismatiker, von Gott geführt, haben die Kirche geleitet.[2] Diese charismatische Organisation ist labil und formlos. Im Katholizismus verband sich die Kirche mit dem Recht und bekam eine äußere Form. Durch die apostolische Sukzession konnte die Herrschaft der Bischöfe als Nachfolger der Apostel und als Repräsentanten von Jesus gesichert werden. Diese Amtsträger brauchen keine persönlichen Qualitäten, sie bekommen durch einen äußeren Rechtsakt die Leitungsgewalt. Dadurch wird der Glaubensgehorsam der Mitglieder zum Rechtsgehorsam und die geistliche Gemeinschaft wird zu einer Rechtsgemeinschaft.[3]

Richard Sohm reflektierte das Verhältnis von Charisma und Gesetz. Heute, 130 Jahre später, sind vor allem zwei Fragen zu klären: Gibt es nicht unterschiedliche, bunte charismatische Ausdrucksformen und gibt es nicht charismatische Führungsmodelle abseits rein rechtlicher Art? Hier setzt Böhnke an und bringt die Epiklese ins Spiel. Epiklese ist ein sperriges Wort, das im kirchlichen Bereich mir nur in der Liturgie bekannt war, wenn auf Brot und Wein der Heilige Geist herabgerufen wird. Epiklese wird bei Böhnke umfassender gebraucht. Es ist jeder Dialog mit Gott, in dem um seinen Geist gebeten wird und dieser Heilige Geist herabgerufen wird, [4] ja herabgefleht wird.

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Papst Paul VI: Dem Kirchenrecht fehlt der Heilige Geist. Er ist die Seele der Kirche.

Papst Paul VI: Das Wirken des Heiligen Geistes muss im Recht der Kirche seinen Ausdruck finden.

Das Kirchenrecht ist ein Handeln der Kirche, deren Seele der Heilige Geist ist. Papst Paul VI legte in der folgenden Ansprache den Rechtsgelehrten nahe, dem Geist des Konzils und damit dem Heiligen Geist im Kirchenrecht Ausdruck zu verleihen. Das wurde leider im neuen Kirchenrecht im Jahre 1983 nicht oder nur in sehr geringer Weise umgesetzt.

Ansprache Pauls VI vom 17. September 1973 an die Teilnehmer des II. Kongresses für Kanonisches Recht in Mailand

(OR Nr. 213 vom 17./18. September 1973)
(Der italienische Text der Ansprache wurde übersetzt von Lic jur can. Heinz Maritz, München.)

            Wir empfangen Sie mit herzlicher und tiefer Hochachtung; Uns bewegt Ihr Gedanke, am Ende ihres II. Internationalen Kongresses, der vergangene Woche unter den Auspizien der Katholischen Universität Sacre Cuore in Mailand stattgefunden hat, eigens zu dieser Audienz nach Rom zu kommen. Wir danken dem verdienten Professor O r i o G i a c c i für seine edlen Worte, die er Uns hat zukommen lassen und die Zeugnis gegeben haben von dem Geist, mit dem das Organisationskomitee und Sie alle, verehrte Wissenschaftler, diese so wertvolle und repräsentative Begegnung mit Leben erfüllt haben. Diese Begegnung fügt sich würdig an jene vom Jahr 1970[1], die Wir noch lebhaft in Erinnerung haben. Eine lobenswerte Erwähnung verdient die italienische Katholische Universität – an ihr werden die juristischen Studien besonders gepflegt -, die Förderung und Gastfreundschaft angedeihen ließ einer so wertvollen Initiative, die dem eindrucksvollen Kreis derjenigen, die sich der Pflege des kanonischen Rechts widmen, zur Ehre gereicht.

            Wir danken Ihnen für Ihre Anwesenheit: nicht allein wegen des persönlichen Trostes, den sie Uns gibt, sondern vor allem wegen der ganz besonderen Bedeutung, die sie, objektiv gesehen, in sich selbst hat.

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Kirchenreform: Was riskieren wir? | CHRIST IN DER GEGENWART

Die Reformdebatte in der katholischen Kirche duldet keinen weiteren Aufschub. Es braucht jetzt dringend noch mehr: eine Reformoffensive. Der „synodale Weg“ in Deutschland und die Amazonas-Synode im Vatikan wollen Zeichen setzen. Doch der Widerspruch ist enorm. Ein jesuitischer Aufschrei in christlich dramatischer Zeit.

Quelle: Kirchenreform: Was riskieren wir? | CHRIST IN DER GEGENWART

Charta für Grundrechte in der Katholischen Kirche (ICRN)

Gesegnet der Mensch, der auf den Herrn vertraut und dessen Hoffnung der Herr ist. Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und zum Bach seine Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, er hört nicht auf, Frucht zu trage (Jeremia 17,7-8)

Beschlossen auf der International Church Reform Network Conference ICRN 2018 in Bratislava und in der vorliegenden Fassung bekräftigt von der ICRN 2019 Warschau (Übersetzung der engl. Originalversion).

„Wenn die Kirche Zeugnis von der Gerechtigkeit ablegen soll, dann weiß sie sehr wohl, dass jemand, der öffentlich von der Gerechtigkeit zu sprechen wagt, zunächst selbst in den Augen der anderen gerecht sein muss. Wir müssen deshalb unser Tun, unseren Besitz und unser Leben in der Kirche überprüfen “ (DE IUSTITIA IN MUNDO (1971) – Welt-Bischofssynode in Rom)

Jesus von Nazaret ruft uns auf, unsere Nächsten zu lieben wie uns selbst, so zu handeln, dass das Gesetz unseres Handelns für alle gelten kann.

Entgegen ihrer Behauptung, dem Willen Jesu zu folgen, hat sich die Kirchenleitung leider bisher geweigert, die fundamentalen Menschenrechte in ihr eigenes Gesetz aufzunehmen. Deshalb rufen wir alle Katholikinnen und Katholiken auf, die Einhaltung der Menschenrechte in all ihren Gemeinschaften auf allen Ebenen zu beachten. Dies gilt in besonderer Weise für die Leiter unserer Kirche. Die Rechte müssen schriftlich festgehalten sein und in unabhängigen Gerichten einklagbar sein.

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