Erfahrung des Heiligen Geistes in charismatischen Strömungen

(Geschichte – Phänomene – theologische Unterscheidung)

Willibald Sandler

„Erfahrung des Heiligen Geistes“ ist in mehrfacher Hinsicht ein Schlüsselwort für das Christentum im 20. Jahrhundert. In der katholischen Kirche rückte der Begriff der religiösen Erfahrung von einem verdächtigen Außenseiterstatus in die Mitte des theologischen Denkens. Zweitens bekam der Heilige Geist – nach Jahrhunderten einer gewissen „Geistvergessenheit“ in der Westkirche – mehr theologische Aufmerksamkeit. Drittens – und von der akademischen Theologie kaum reflektiert – war es ein Jahrhundert von ekstatischen, dem Heiligen Geist zugeschriebenen Erfahrungen, die das Leben zahlloser Christen nachhaltig veränderten und Erneuerungsbewegungen in und außerhalb der etablierten christlichen Konfessionen hervorbrachten, auch als eigene Pfingstkirchen. Ein verbindendes Merkmal sind prägende Geisterfahrungen ihrer Anhänger, sodass man bei aller Verschiedenheit doch von einer gemeinsamen pfingstlerisch-charismatisch ausgerichteten Strömung sprechen kann. „Nach dem Urteil vieler handelt es sich um die am weitesten ausgedehnte spirituelle Bewegung in der ganzen Geschichte der Kirche: in etwa achtzig Jahren ein Wachstum von Null auf vierhundert Millionen Menschen.“

1.1 Katholisches Vorspiel

Historische Wenden fallen nicht vom Himmel, sie haben naturgemäß eine lange Vorgeschichte. Das gilt auch für die pfingstlich-charismatischen Aufbrüche im 20. Jahrhundert. Dennoch war für diese der erste Jänner 1901 ein Schlüsseldatum. An diesem Tag kam es zu zwei bemerkenswerten Ereignissen. In Rom weihte Papst Leo XIII. das neue Jahrhundert mit dem feierlich gesungenen Hymnus „Veni creator spiritus“ dem Heiligen Geist. Dass diesem Papst die dritte göttliche Person ein besonderes Anliegen war, hatte er bereits drei Jahre zuvor mit einer Enyzklika bewiesen, die zu einer neuen Wertschätzung des Heiligen Geistes und seiner Gaben aufrief. Angeregt wurde er dazu durch mehrere Briefe einer einfachen Nonne – Elena Guerra –, die das Ordensinstitut der Oblatinnen des Heiligen Geistes gegründet und Räume zur ewigen Anbetung eingerichtet hatte: „Zönakel“, nach dem Namen für das Obergemach („coenaculum“), in dem die Jünger gemäß dem Auftrag des Auferstandenen sich täglich zusammenfanden und auf die Ankunft des Heiligen Geistes vorbereiteten (vgl. Apg 1,13). Ein neues Pfingsten sollte nach der Vision von Elena Guerra die ganze Kirche erfassen, und dazu erhielt sie den – sie zunächst erschreckenden – Auftrag, in diesem Anliegen dem Papst zu schreiben. Unerwartet stieß sie damit bei Leo XIII. auf offene Ohren. Als die Heilig-Geist-Enzyklika von 1897 nur ein geringes Echo im Kirchenvolk hervorrief, drang sie mit weiteren Briefen in ihn. So erreichte sie, dass er am 1. 1. 1901 das neue Jahrhundert feierlich dem Heiligen Geist weihte.

1.2 Protestantische Anfänge der Pfingstbewegung: Die Entstehung von eigenen Pfingstkirchen

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In der Stille erhob sich kraftvolles Sprachengebet

Ein Abend mit der Gruppe der katholischen charismatischen Erneuerung in La Caleta, Teneriffa

Die Kapelle, in der der Abend stattfand, gehört zur Kirche San Sebastiano. Den Altar der Kapelle schmückt eine Plastik der Muttergottes, die das Jesuskind trägt, beide erhöht mit Strahlenkranz.

Ich kam eine Viertelstunde vor Beginn in die Kapelle. Der Raum war bis auf eine kniende, anbetende Frau noch leer, aber durch die geschlossene Tür zum Nebenraum hörte ich lautes Sprachengebet. Das war das Team, das sich auf den Abend vorbereitete. Sie kamen dann heraus, und andere Leute kamen dazu, vorwiegend Frauen. Sie begrüßten einander herzlich mit Umarmungen und standen noch im Gespräch beisammen.

Dann setzten sich alle nieder, und der Abend begann damit, dass eine Frau nach vorne ging, eine Stelle aus der Heiligen Schrift vorlas und deutete.

Lobpreis mit Sprachengebet und Sprachensingen

Es begann nun ein langer Lobpreis. Es wurden Lieder gesungen. Viele kannten die Texte auswendig, standen beim Singen auf und bewegten sich frei. Die Lieder gingen immer wieder in kraftvolles Sprachensingen über. Zwischen den Liedern war Stille, und in der Stille erhob sich lautes, kraftvolles Sprachengebet. Da verstand ich, dass sie vor allem das Sprachensingen und Sprachengebet Lobpreis nennen. Ich konnte lernen, dass diese Art von Lobpreis, wenn man die Laute nicht künstlich hervorbringt, sondern die Zunge und den Sprechapparat ganz dem Heiligen Geist überlässt, in eine immer tiefere Ruhe und Andacht hineinführt.

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