Medard Kehl SJ im Interview über sein Verhältnis zur Kirche, den Papstgehorsam der Jesuiten und die Frage nach sentire cum ecclesia und Kirchenkritik.
Medard Kehl SJ: Die Bergpredigt veranschaulicht, was es bedeutet, unter der „Herrschaft Gottes“ zu leben, dem Kommen des Reiches Gottes zu dienen. So stellt sich Jesus Herrschaft Gottes, Reich Gottes vor. Zum Beispiel das Thema Vergeltung: Nicht mehr „Wie du mir so ich dir“, sondern wirklich „Wie Gott mir so ich dir“. Es ist ja nicht bloß, „Wenn einer dich schlägt, halt ihm auch die andere Backe hin.“ Es ist nicht einfach alles geduldig hinnehmen, das wäre zu wenig.
Sondern es gilt: Das Böse mit dem Guten, durch Liebe zu überwinden, nicht nur durch Duldsamkeit. „Dann gib ihm auch noch den Mantel“ oder „Geh mit ihm dann noch weiter“. Das sind Beispiele für den Versuch, auf diese Weise den anderen zu versöhnen, zum Freund zu bekommen. Oder was ich auch an der Bergpredigt so schätze, ist die richtige Rangfolge unserer Sorgen. „Kümmert euch um das Reich Gottes und alles andere wird euch dazu gegeben.“ Diese Sorge um das Kommen der Herrschaft Gottes, dass sich das Reich Gottes zeigt und sichtbar wird – diese Sorge relativiert alle anderen Sorgen, wenn man sie wirklich ernst nimmt und sie in die richtige Reihen- und Rangfolge bringt. Ein Mitbruder von mir hat das mal schön auf den Punkt gebracht: „Der Glaube entmachtet die Angst um sich selbst“. Entmachtet, das ist ein guter Begriff. Er nimmt uns die Ängste nicht weg, die sind noch da; aber sie beherrschen uns nicht mehr total.
Quelle: Medard Kehl SJ: Kritisch und trotzdem mit der Kirche – Jesuiten