Der Heilige Geist begleitet den Gekreuzigten

Christus am Kreuz nach Rubens. Im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts häufen sich in der Schwarzwälder Hinterglasmalerei Bildmotive nach Reproduktionsstichen. Ein beliebtes Vorbild lieferte ein Kruzifix nach einer Zeichnung von Peter Paul Rubens, die durch einen Kupferstich von Paulus Pontius (1603-1658) Verbreitung fand (Abb. 2) und schon im 17. Jahrhundert als Vorlage für zahlreiche Gemälde diente.

Gott ist nicht da. Er ist abwesend. So sehen es viele.
Wenn Jesus stirbt: Wo war Gott? Hans Urs von Balthasar[1] und Papst Johannes Paul II[2] sahen den Heiligen Geist als die Manifestation der Gegenwart Gottes. Auch im Leiden, dem Tod und der Auferstehung wird der Geist Gottes erkennbar. Er ist der, der Jesus beisteht und für uns Schuld und Verbrechen hinwegnimmt.

Michael Böhnke interpretierte dieses Bild[3] aus pneumatologischer Sicht.
Er ging der Frage nach, ob der Heilige Geist bei der Kreuzigung Jesu eine Rolle spielt.

Er fand eine lange Tradition von der Antike bis ins Barock. Der Kupferstich nach Peter Paul Rubens stellt diese Überlieferung bildhaft dar.
Er zeigt die Bedeutung von Jesu Tod und Auferstehung im Lichte des Heiligen Geistes. Es passiert vieles gleichzeitig. Jesus ist ganz senkrecht ausgerichtet und schaut mit offenem Mund nach rechts oben. Ein starker Wind bewegt das Hüfttuch und die Wolken. Wie es in den damaligen Predigten und Texten erklärt wird, reinigt der Heilige Geist mit seinem Atem die Atmosphäre vom Verbrechen der Menschen. Auch von rechts oben kommen die Engel, die den Tod und die Schuld vertreiben.

Jesus erklärt im Johannesevangelium, dass er als Erhöhter in der Herrlichkeit alle zu sich ziehen wird (Johannes 12,32): „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.“ Das ist die Hoffnung für uns, die wir auf der Erde sterbliche Wesen sind und uns fragen: Soll das alles gewesen sein? Nein, nach dem Tod erwartet uns die Herrlichkeit.

Wie sicher dieser Glaube ist, zeigt Paulus. Für ihn ist ein Glauben ohne im Heiligen Geist zu leben undenkbar. Im ersten Korintherbrief schreibt er: „Keiner, der aus dem Geist redet, sagt: Jesus sei verflucht! Und keiner kann sagen: ‚Jesus ist der Herr!‘, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet.“ (1 Kor 12,3)
Mit dieser Formel versucht Paulus den Streit in der Gemeinde von Korinth zu schlichten. Er gibt damit einen gemeinsamen Konsens an. Der Gekreuzigte ist der Herr. Dieser wird in jedem Gottesdienst angerufen.

Es ist voll ungewöhnlich, ein Ärgernis und eine Torheit, dass ein Gekreuzigter göttlicher Herr ist. Dies bringt eine Umdrehung des Weisheitsdenkens mit sich. Dieses Umdrehen ist durch den Geist, der die ersten Christen erfüllte, möglich geworden. Das erlebten die jüdischen Jüngerinnen und Jünger im Pfingstereignis (Apg 2,1) und die nichtjüdischen Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses des Kornelius (Apg 10,1).

Diesen Heiligen Geist kann man im Handeln Jesu entdecken.[4] Er unterscheidet sich von dem Ungeist, der bei der Versuchung (Mk 3,22-27) ihm begegnet, und von den Ungeistern, die bei den Dämonenaustreibungen die gequälten Menschen verlassen. Es zeigt sich in Jesu Verhalten und in seinem Leiden, „‚wes Geistes Kind‘ Jesus von Nazaret gewesen ist (vgl. Lk 9,55)“[5].

Der Heilige Geist ist nahe bei Jesus, als er am Kreuz leidet und zu Gott Vater „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Markus 14,34) betet. Sein Vater ist im Himmel. Und zu ihm wird er gehen und die Erde verlassen. Aber er sendet den Heiligen Geist den Jüngerinnen und Jüngern. Damit geht nicht nur die Botschaft, sondern auch die praktische Auswirkung von Jesu Handeln und Leiden weiter.

Der Heilige Geist begleitet Jesus im Sterben und gibt ihm Leben nach dem Tod, sodass er auferstehen kann und den Jüngerinnen und Jüngern erscheinen kann.
Der Geist zeigt sich zu Pfingsten als der anwesende Gott, der die Menschen sammelt. Was Jesus begonnen hat, führt der Heilige Geist für uns weiter.


[1] Hans Urs von Balthasar, Theologik III. Der Geist der Wahrheit, Einsiedeln 1987, 28-56. Zit. Nach Böhnke, Geistbewegte Gottesrede.
[2] Enzyklika Dominum et vivificantem von Papst Johannes Paul II. Über den Heiligen Geist im Leben der Kirche und er Welt http://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_18051986_dominum-et-vivificantem.html
[3] Die Abbildung fand ich bei Michael Böhnke, Geistbewegte Gottesrede. Pneumatologische Zugänge zur Trinität. Freiburg 2021 Abb. 1 Paulus Pontius nach Peter Paul Rubens, Kreuzigung Christi, 1631. Kupferstich. Meine Quelle: Renchtäler Heimatmuseum Oppenau [CC Creative CommonsPeter Paul Rubens  by Name]
[4] Diese Gedanken habe ich auch aus dem Buch von Michael Böhnke, Geistbewegte Gottesrede.
[5] Böhnke S. 17

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