Einleitung
Die Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofes (VfGH), das Verbot der Beihilfe zum assistierten Freitodes aufzuheben, hat viele Christen, und nicht nur Katholiken, mit Befremden, teilweise sogar mit Entsetzen getroffen. Von einem Dammbruch zu sprechen ist unverantwortlich, wie ich zeigen werde. Wer schon vorher in aufgeklärte, vor allem auch akademische und intellektuelle Kreise hineingehört hat, konnte diese Entscheidung erwarten. Das Verbot der Beihilfe und die dem zugrunde liegende Ächtung des Freitodes berief sich nämlich auf historisch gewachsene kirchliche Vorstellungen vom Verhältnis von Gott zu seiner Schöpfung, die früheren Zeiten entstammten und so heute nicht mehr gelten. An ihre Stelle traten die Menschenrechte, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention Teil unserer Verfassung geworden sind, und damit war der Fall des Verbotes absehbar. Viele Menschenrechte berufen sich nämlich ganz wesentlich auf das Recht der freien Selbstbestimmung jedes Menschen (Autonomie), insoweit dieses nicht aus dem Schutz der Menschenrechte anderer Menschen eingeschränkt werden muss.
Die Entscheidung des VfGH war eine Grundsatzentscheidung und bedarf noch einer Ergänzung der bestehenden Gesetze und einer Abstimmung mit diesen, bevor sie rechtswirksam wird.
Unter medizinisch assistiertem Freitod versteht man die Bereitstellung einer tödlich wirkenden Substanz durch einen Arzt, um einem sterbewilligen Menschen den Freitod zu ermöglichen. Ich behandle hier ausschließlich diese Form eines assistierten Freitodes und verwende deshalb das Wort medizinisch nicht mehr. Im Folgenden stelle ich nun einige Überlegungen zu einer sittlichen Selbstverpflichtung und damit zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein derartiger Freitod ethisch und christlich verantwortet werden könnte, an.
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