Nun wollen wir die Vorstellungen über den Geist, die uns gemeinsam sind, untersuchen, sowohl diejenigen, die von uns aus den Schriften über ihn zusammengetragen worden sind, als auch diejenigen, die wir aus der mündlichen Überlieferung der Väter erhalten haben.
Zunächst: Wer die Bezeichnungen des Geistes hört, wird der nicht in seiner Seele aufgerichtet? Hebt er nicht sein Denken zur höchsten Natur empor? Man spricht ja vom „Geist Gottes“ und vom „Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht“ (Jo 15,26), vom „geraden Geist“ und vom „lenkenden Geist“.
„Heiliger Geist“ ist die ihm eigentümliche und zukommende Bezeichnung, da das vornehmlich der Name des ganz Unkörperlichen, des rein Unstofflichen und Ungeteilten ist. Daher sagte auch der Herr, als er die Frau, die Gott an einem bestimmten Ort anbeten wollte, belehrte, dass das Unkörperliche unbegrenzt ist: „Gott ist Geist“ (Joh 4, 24).
Wer das Wort „Geist“ hört, der kann in seiner Vorstellung keine bestimmte Natur einbilden oder eine, die Wandlungen und Veränderungen unterworfen oder überhaupt der Schöpfung ähnlich ist; vielmehr erkennt er, wenn er sich mit seinen Gedanken zum Höchsten erhebt, mit Notwendigkeit ein Verstandeswesen, unendlich hinsichtlich der Kraft, unbegrenzt hinsichtlich der Größe, mit Zeiten und Ewigkeiten nicht zu messen, mit seinen Gütern freigebig.
An ihn wendet sich alles, was nach Heiligung strebt; zu ihm richtet sich alles, was nach der Tugend lebt, was gleichsam durch seinen Anhauch belebt wird und von ihm Hilfe für sein eigenes, seiner Natur entsprechendes Ziel empfängt. Alles andere vollendend, mangelt ihm selbst nichts.
Er ist in seinem Leben nicht abhängig, sondern schenkt selbst Leben. Er wird durch Hinzufügung nicht größer, sondern ist von vorne herein vollendet. Er ist in sich selbst gegründet und an allen Orten.
Ursprung der Heiligkeit, erkennbares Licht, das aus sich jeder Kraft unseres Geistes eine gewisse Klarheit zum Auffinden der Wahrheit gewährt.
Einfach im Wesen, vielfältig in seinen Wirkkräften; jedem einzelnen gewährt er sich ganz, ganz ist er überall. Ohne zu leiden, teilt er sich, unversehrt gibt er Anteil an sich, vergleichbar dem Sonnenstrahl.
Unerreichbar durch seine Natur: auf Grund seiner Gutheit aber fasslich. Alles erfüllend mit seiner Kraft, mitgeteilt aber nur den Würdigen; ohne Anteil an einem einzigen Maß, doch seine Wirksamkeit im Maße des Glaubens austeilend.
Jedes Wesen erfreut sich an ihm und scheint ihn allein für sich zu haben, und doch sind Erde, Luft und Ozean von seinem Licht erfüllt.
Ebenso ist der Heilige Geist für jedes aufmerksame Geschöpf gegenwärtig, als sei es einzig auf der Welt.
Die Einwohnung des Geistes in der Seele besteht nicht in räumlicher Annäherung – wie könnte sich das Unkörperliche in körperlicher Weise nähern? -, sondern in der Trennung von den Leidenschaften, die, aus der Liebe zum Fleisch später der Seele zugefügt, von der Vertrautheit mit Gott entfernen.
Sich von der Schmach zu reinigen, wenn man von Lastern befleckt ist, und zur Schönheit der eigenen Natur zurückzukehren, gleichsam dem königlichen Bild durch Reinheit die ursprüngliche Gestalt wiederzugeben – so allein kann Annäherung an den Tröster geschehen.
Wie die Sonne sich eines gereinigten Auges bemächtigt, wird er dir in sich das Bild des Unsichtbaren zeigen.
In der seligen Schau dieses Bildes wird dem Blick die unaussprechliche Schönheit des Urbildes zuteil.
Durch ihn werden die Herzen erhoben, die Schwachen geleitet, die Fortschreitenden vollendet.
Indem er die von jedem Makel Gereinigten erleuchtet, weist er sie durch die Gemeinschaft mit sich als Geisterfüllte aus.
Wie helle und durchscheinende Körper, wenn Licht auf sie fällt, selbst zu glänzen anfangen und aus sich heraus ein eigenes Licht werfen, so strahlen die Geisttragenden, deren Seelen vom Geist erhellt worden sind, selbst geistig geworden, auch zu anderen diese Gnade aus.
Dadurch wird Vorausschau des Zukünftigen, Erkenntnis von Geheimnissen, Begreifen von Verborgenem, Verteilung von Gnadengaben, himmlisches Leben, der Reigen mit den Engeln, die Unendlichkeit der Freude, das Verbleiben in Gott, die Verähnlichung auf Gott hin und das höchste Ziel: Gott zu werden, möglich.
Basilius der Große, 330 – 379 n. Chr., Aus: Über den Heiligen Geist (De Spiritu Sancto ) IX
Er sagt auch:
Ebenso wie ein mit dichtem Staub bedecktes Spiegelglas das Bild eines Menschen oder das Licht der Sonne nicht zurück strahlen könnte, so wird auch die Klarheit, das Licht des Heiligen Geistes, zurück gehalten vor einer Seele, die gleichsam mit einer Erdschicht von irdischen Gedanken und Gesinnungen bedeckt ist.