Komm’ Heiliger Geist!
Der Heilige Geist ist der Atem der Schöpfung. Wie der Geist Gottes am Anfang über den Wassern schwebte, so und noch viel intensiver und dichter und näher rührt der Geist Gottes den Menschen an und bringt ihn zu sich selbst und über sich selbst hinaus. Theologisch ist das ganz klar.
Das Herz aller Dinge ist der Heilige Geist. Was uns Christus ähnlich macht, ist die Einwohnung des gleichen Geistes, der in ihm und in uns Prinzip des übernatürlichen Lebens ist.
Glauben, Hoffen und Lieben, die Herzschläge des übernatürlichen Lebens, sind ja nichts anderes als die Teilnahme der begnadeten Natur an der Selbstbejahung Gottes, die sich im Heiligen Geist vollendet.
So versteht man den heißen Atem des „Komm“. Es ist die erhöhte und sehr gesteigerte Adventssehnsucht, die da ruft.
Es ist der Wille aus dem Kerker, aus der Enge, der Gebundenheit herauszukommen, der dieses „Komm“ immer wieder anstimmen heißt.
Nur wer die unendliche Sehnsucht der Kreatur zugleich mit ihrer endlichen Kümmerlichkeit erfahren hat, wird diesen Flehruf echt anstimmen. Und nur so wird es wirklich ein Ruf, auf den Antwort und Erfüllung folgt.
Pater Alfred Delp, „Im Angesicht des Todes“ 1944-1945.
Alfred Delp schrieb diesen Text mit gefesselten Händen in seiner Berliner Gefängniszelle im Januar 1945, nach seiner Verurteilung durch die Nazis wegen angeblichen Hochverrats. Der Schuldspruch erfolgte am 11. Januar. Üblicherweise wurde die Hinrichtung am gleichen Tag vollzogen. Delps Hinrichtung erfolgte aus unbekannten Gründen erst am 2. Februar, dem Fest Darstellung des Herrn, damals dem Ende des Weihnachtsfestkreises.
Alfred Delp schrieb im Gefängnis über den Heiligen Geist:
„Er findet Wege und Weisen der Tröstung, er hat Arten der Aufmerksamkeit, die die Zartheit und Findigkeit menschlicher Liebe weit übertreffen.“
Aus: Alfred Delp, „Veni Sancte Spiritus“, in: Gesammelte Schriften, Bd. 4: Aus dem Gefängnis, ed. Roman Bleistein, Frankfurt (Knecht), 1984, 263-305; hier: 268 und 273