Der Text des Synodalforums III „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ auf der Vierten Synodalversammlung (8.-10.9.2022) „Verkündigung des Evangeliums durch Getaufte und Gefirmte in Wort und Sakrament“ wurde am 10.9.2022 mit großer Mehrheit angenommen.
Quelle 1: https://www.synodalerweg.de/
Quelle 2: https://www.synodalerweg.de/dokumente-reden-und-beitraege
Einleitung
Die Verkündigung des Evangeliums ist der Sinn des gesamten kirchlichen Handelns: In freudiger Zustimmung zum Dasein jedes Lebewesens und in beständiger Sorge um das Wohlergehen aller zeigt sich Gott als zugleich unbeirrbar barmherzig und gerecht. Gottes Verheißung, die Geschöpfe im Glück und in der Not des Lebens wahrzunehmen und sie trotz aller Schuld anzunehmen, ist in Jesus Christus in menschlicher Gestalt begegnet. Gottes Geistkraft vergegenwärtigt das Handeln Gottes in jeder Zeit. Im Vertrauen darauf gründet die Hoffnung auf ein ewiges Leben und Versöhnung aller mit allen am Ende der Zeiten.
Dieses christliche Bekenntnis ist eine frohe Botschaft für jeden Tag. Zugleich wird das Evangelium mit offenen Ohren in besonderen Lebenssituationen gehört, etwa beim Beginn einer für die gesamte Lebenszeit erwünschten treuen Beziehung, bei der Geburt eines Kindes oder in Zeiten der Krankheit, Todesnähe und Trauer. In diesen existentiellen Lebenssituationen ist der Verkündigungsdienst der Kirche ganz besonders herausgefordert. Dann gilt es präsent zu sein in der seelsorglichen Begleitung, im Teilen von Freude und gelingendem Leben, im Zuspruch von Segen und einem aufrichtenden Wort, in sakramentalen Diensten mit allen Charismen, die Gott Menschen schenkt. Zur Gestaltung dieser Dienste gehören selbstverständlich Frauen mit ihren Charismen. Zugleich brauchen alle Seelsorgenden Gewissheit durch das ihnen geschenkte Vertrauen, dass ihr Handeln in den genannten existentiellen Situationen gewünscht ist und als wirksam angesehen wird.
Das Zeugnis von Gottes Heilshandeln verarmt, wenn nicht die Fülle der vorhandenen Charismen und Kompetenzen geachtet wird. In Querida Amazonia eröffnet Papst Franziskus Perspektiven:
„Die Laien können das Wort verkünden, ihre Gemeinschaften organisieren, einige Sakramente feiern“ (QA 89).1
Insbesondere der Dienst der Verkündigung des Wortes Gottes durch Frauen auch in der Eucharistiefeier ist in den skizzierten Zusammenhang zu stellen. Getaufte und Gefirmte können „zur Mitarbeit mit dem Bischof und den Priestern bei der Ausübung des Dienstes am Wort berufen werden“ (Can. 759 CIC 1983). So wirken gut ausgebildete Personen wie etwa Gemeinde- und Pastoralreferent*innen oder beauftragte Ehrenamtliche am Verkündigungsdienst der Kirche in unterschiedlichen Gottesdienstformen mit. In der Eucharistiefeier gibt es die Möglichkeit der Einführung am Beginn der Feier (statio), des Glaubenszeugnisses oder der Dialogpredigt. Die Praxis regelmäßiger Dialogpredigten und Glaubenszeugnisse wäre dringend zu pflegen. Notwendig wäre darüber hinaus eine Regelung in Deutschland auf Ebene der DBK, durch die qualifizierte und zum Dienst in der Kirche Beauftragte (z. B. Gemeinde- und Pastoralreferent*innen, Theo- log*innen und Religionspädagog*innen, die nicht im pastoralen Dienst tätig sind) aufgrund ihrer Kompetenz grundsätzlich die Erlaubnis haben, in der Eucharistiefeier in allen üblichen Formen zu predigen, was in einigen (Erz-)Diözesen bereits bewährte Praxis ist. Seelsorger*innen sind u.
- im intensiven Kontakt mit Familien von Täuflingen, Kranken und deren Angehörigen oder jungen Paaren. Viele Frauen sind haupt- oder ehrenamtlich tätig in der Klinikseelsorge, in der Hospizarbeit, der Telefonseelsorge, in der Beratung oder bei der Bahnhofsmission. In solchen kirchlichen Handlungsfeldern sind Menschen offen für ein Gespräch über ihre Lebenssituation. Viele Menschen kommen in Klöster, um im Rahmen von Exerzitien oder eines geistlichen Gesprächs auch bei Ordensfrauen eine Lebensbeichte abzulegen; Gebete mit der Bitte um Vergebung werden als hilfreich erfahren. In der Wahrnehmung der Menschen kommt es in der seelsorglichen Begleitung zu einem schmerzhaften Bruch, wenn die Seelsorger*innen nicht auch die Leitung der Feier der Taufe, des Sakraments der Versöhnung oder der Krankensalbung übernehmen können. Stimmig wäre es, wenn der sakramentale Charakter der seelsorglichen Zuwendung sich darin verdichtete, dass auch eine Seelsorgerin in der konkreten Begleitung nach Wunsch das Sakrament in leitender Verantwortung feiern könnte. Mehrere deutsche Diözesen haben inzwischen Ordnungen zur Beauftragung von Lai*innen zur außerordentlichen Taufspendung erlassen bzw. erarbeiten diese aktuell. Zunehmend handeln Frauen auch im weltkirchlichen Kontext eigenverantwortlich bei der Gestaltung sakramentaler Feiern, nicht nur bei der Feier der Taufe, auch bei der Feier des Sakraments der Ehe, das im Versprechen zweier Menschen, einander in ihrer gesamten Lebenszeit zu lieben und zu achten, wirksam wird.
Beschlussfassungen
- Die deutschen Bischöfe streben die Erhöhung des Frauenanteils und eine größere Vielfalt beim Verkündigungsdienst an. Sie überarbeiten die derzeit geltende Predigtordnung. Sie treten für
1 Durch das Apostolische Schreiben in Form eines Motu proprio zur Änderung von Can. 230 § 1 des Codex des kanonischen Rechtes über den Zugang zum Lektoren- und Akolythendienst vom 10. Januar 2021 verfügt Papst Franziskus ebenfalls eine weltkirchlich relevante Öffnung: Wichtige kirchliche Dienste sollen nicht nur Männern, sondern grundsätzlich allen Getauften zugänglich sein.
eine Partikularnorm zu Can. 766 CIC 1983 ein, durch die theologisch und homiletisch qualifizierte nichtordinierte Seelsorger*innen als Verkündiger*innen des Evangeliums zum dauerhaften Predigtdienst an der Ortskirche entsprechend der vom Ortsordinarius erkannten pastoralen Erfordernisse in allen Gottesdienstformen beauftragt werden. Die neue Predigtordnung bestimmt genauere Kriterien für die Erteilung der Predigtbefugnis (facultas) bzw. Predigtbeauftragung (missio) und wendet sie auf ordinierte ebenso wie auf nicht-ordinierte Prediger*innen an.
Die Bischöfe und andere liturgisch Verantwortliche behandeln die Homilie (Schriftauslegung nach dem Evangelium in der Eucharistiefeier) und andere Formen der Verkündigung als Teil des Dienstes hauptamtlich tätiger und entsprechend geschulter Personen (Priester, Diakone, Pastoralreferent*innen, Gemeindereferent*innen).
Sie beauftragen die pastoralen Mitarbeiter*innen zur Predigt in der Eucharistiefeier zusammen mit ihrer kirchlichen Sendung (missio canonica), damit diese ihren Predigtdienst amtlich und im Namen der Kirche vollziehen können.
- In den Bistümern wird der pastorale Bedarf hinsichtlich der Einführung der außerordentlichen Taufspendung geprüft und entsprechend die Möglichkeit zu deren Einführung geschaffen.Die Erfahrungen mit der Taufspendung durch Lai*innen werden in den Diözesen evaluiert; die Ergebnisse sind nach drei Jahren den diözesanen Räten vorzulegen.
In den Gremien der Deutschen Bischofskonferenz wird unter Berücksichtigung bereits bestehen- der Dokumente in einzelnen deutschen Diözesen und der Weltkirche eine Rahmenordnung für die Beauftragung von Lai*nnen zur Leitung der Feier der Taufe und zur Assistenz bei der Eheschließung erarbeitet. Schulungen von Männern und Frauen, die bereit sind, solche Dienste zu tun, werden entwickelt.
- Die Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz koordiniert einen Konsultationsprozess, an dem Mitglieder des Sachbereichs 1 des ZdK (Theologie, Pastoral und Ökumene), der Konferenz der Ordensoberen sowie der Frauen-, Männer- und Jugendverbände zu beteiligen sind: Angesichts der gegenwärtigen pastoralen Kontexte wird geprüft, wie vorhandene Dienste und Ämter weiterzuentwickeln sind und welche neuen Dienste und Ämter zu gestalten sind, mit denen die Kirche auf neue Herausforderungen antworten kann und muss. Dabei werden auch Möglichkeiten der Wiederbelebung der Laienbeichte im Kontext der geistlichen Begleitung beraten. Auch die Bedeutung der Krankensegnung und Krankensalbung im Blick auf alle Seelsorgenden, die in der Begleitung von Kranken tätig sind, wird bedacht. Die gesamte Fülle des in der Geschichte der Kirche bereits geübten pastoralen Handelns ist neu zu entdecken.
Begründungen
Zu 1. Nach Lumen Gentium 31 haben alle Gläubigen aufgrund ihrer Taufe Anteil am Dienst der Heiligung, der Verkündigung und der Leitung. Kraft ihrer Taufe und ihrer darin gründenden eigenständigen Sendung haben die Lai*innen die Pflicht und das Recht an der Verbreitung der göttlichen Heilsbotschaft mitzuwirken (Can. 225 CIC 1983). Diese Sendung zur Verkündigung bezieht sich auf ihr Leben wie auch darauf, dass sie „zur Mitarbeit mit dem Bischof und den
Priestern bei der Ausübung des Dienstes am Wort berufen werden“ können (Can. 759 CIC 1983). Das 2. Vatikanische Konzil signalisiert Offenheit, indem es die Laienpredigt nicht verurteilt. Nach geltendem Kirchenrecht dürfen Lai*innen nach Maßgabe der Vorschriften der Bischofskonferenz in Kirchen oder Kapellen in verschiedenen Gottesdienstformen predigen (Can. 766 CIC 1983), die Homilie bleibt jedoch den geweihten Amtsträgern vorbehalten. Das kirchliche Rechtsbuch zielt darauf, den Dienst des Predigens an Sonntagen und gebotenen Feiertagen nicht zu vernachlässigen; denn „sie darf nur aus schwerwiegendem Grund ausfallen“ (Can. 767 § 2 CIC 1983). Dem Diözesanbischof kommt als Leiter des gesamten Dienstes am Wort Gottes (vgl. Can. 756 § 2 CIC 1983) die Aufgabe der Qualitätssicherung der Predigt zu. Diese nimmt er z.B. durch die mögliche Einschränkung oder den Entzug der Predigtbefugnis sowie die Möglichkeit, durch Partikulargesetz eine ausdrückliche Erlaubnis für die Predigt zu fordern, wahr. Im Blick auf die unabdingbare Qualität der Predigt und die Professionalität pastoralen Handelns soll die Schriftauslegung nach dem Evangelium von dazu ausgebildeten kompetenten Personen übernommen werden. Zu diesen zählen Priester und Diakone mit entsprechenden Ausbildungen ebenso wie jene nicht-ordinierten Gläubigen, die das theologische Studium und die homiletisch-pastorale Ausbildung durchlaufen haben – nicht selten in Gemeinschaft mit Menschen, die sich auf ein sakramentales Amt vorbereiten. Die wechselseitige Verbundenheit von Wortverkündigung und Feier des eucharistischen Mahls bleibt auch dann erkennbar, wenn – wie es auch jetzt schon häufig geschieht – mehrere Personen mitverantwortlich Dienste in der Liturgie übernehmen.
Zunehmend kommt zu Bewusstsein, dass im Hinblick auf eine missbrauchssensible Liturgie die Beteiligung von Frauen am Predigtdienst sehr wichtig ist. Menschen, die sexualisierte Gewalt durch Kleriker erfahren haben, äußern immer wieder das Bedürfnis, an liturgischen Feiern teil- zunehmen, die allein schon auf der Ebene der äußeren Erscheinung nicht von Geistlichen dominiert sind.
Zu 2. Viele Taufbewerber*innen und Familien von Täuflingen haben heute keine kirchliche Sozialisation mehr erfahren. Pastorale Mitarbeiter*innen finden häufig einen Zugang zu diesen Menschen bei Tätigkeiten in Kindertagesstätten oder durch die Vorbereitung auf die Sakramente. Die Verbundenheit von Sakramentenpastoral und Sakramentenfeier ist von hoher Bedeu- tung. Die absehbare personelle und strukturelle Entwicklung in den Diözesen zeigt, dass schon jetzt oder zumindest bald keine ausreichende Zahl von ordentlichen Taufspendern mehr im Dienst ist. Umso wichtiger ist es, das Taufbewusstsein aller in den Gemeinden vor Ort zu stärken, wozu die Einführung der außerordentlichen Taufvollmacht beitragen kann. Die Deutschen Bischöfe betonen 2015 in ihrem Wort „Gemeinsam Kirche sein“:
„Aktuelle Blockaden können aufgelöst werden, wenn wir die uns allen gemeinsame Berufung zur
Heiligkeit durch die Taufe wahrnehmen“ (Gemeinsam Kirche sein, S. 27).
Nach Can. 861 § 2 CIC 1983 (aufgenommen in die Instruktion der Kongregation für den Klerus
„Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Kirche“, 2020) kann der Ortsordinarius nach klugem Ermessen neben den ordentlichen Spendern der Taufe (Bischof, Priester, Diakon) weitere Personen mit der Taufspendung beauftragen, wenn keine ausreichende Zahl von ordentlichen Taufspendern zur Verfügung steht (vgl. auch Can. 230 § 3 CIC 1983).
Formen der Ehevorbereitung und der Begleitung von Ehepaaren mit ihren Familien stellt eine hohe pastorale Herausforderung dar. Die Feier der Eheschließung ist möglichst einzubinden in ein Geschehen der Begegnung mit Mitgliedern der christlichen Gemeinde, die selbst Erfahrungen mit dem Eheleben in die Gespräche einbringen können. Es sollte das Anliegen der gesamten Gemeinde sein, die Werte einer chrislich gelebten Ehe authentisch zu bezeugen. Nach Can. 1112 CIC 1983 kann der Diözesanbischof aufgrund einer vorgängigen Stellungnahme der Bischofskonferenz und nach Erhalt der Erlaubnis des Heiligen Stuhles, Lai*innen zur Eheschließungsassistenz delegieren.
Zu 3. Die Kirche ist „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1). Von diesem Auftrag her sind auch ihre Dienste und Ämter zu denken. Deren Vielfalt hat sich nicht zuletzt aufgrund pastoraler Herausforderungen, Anliegen und Notwendigkeiten geschichtlich entwickelt. Bei der notwendigen Wiederbelebung und Weiterentwicklung von Diensten und Ämtern ist auch zu bedenken, welche Zeichenhandlungen und Rituale für Menschen heute bedeutsam sind.
In Rückbindung an die biblische Rede von therapeutisch wirksamen Charismen (vgl. 1 Kor 12,4- 11; Röm 12,6-8), ist es angemessen, auf ein Wirken des Geistes Gottes durch begabte Frauen und Männern zu vertrauen, die zugleich trösten und ermahnen, die Geister zu unterscheiden wissen, Erkenntnisse vermitteln und Krankheiten zu heilen vermögen. Das Kriterium für die Legitimität der Tätigkeit ist im Sinne von Paulus, ob die Dienste anderen Menschen nützen. Frauen und Männer sind als Getaufte berufen, ihr Vertrauen auf die Nähe Gottes sowie ihre Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit in jeder Lebenssituation zu bezeugen. Einzelne Persönlichkeiten sind in besonderer Weise mit Gaben des Geistes Gottes beschenkt, die heilsam wirken und zum Leben ermutigen. Eine entsprechende fachliche Ausbildung können viele getaufte Frauen und Männer vorweisen.